Ostfjorde im Island-Lexikon

Der mit Abstand bekannteste Ort an der Ostküste Islands heißt Seyðisfjörður. Das liegt aber weniger an der historischen Bedeutung oder der Größe (1000 Einwohner) und auch nicht an den etwa in Vielzahl vorhandenen Sehenswürdigkeiten, sondern einzig und allein an der Tatsache, dass hier die Autofähre vom europäischen Festland nach ihrem Zwischenstopp auf den Färöer-Inseln einläuft. Der Hafen von Seyðisfjörður liegt unmittelbar an der zum größten Teil asphaltierten Straße Nr. 93. Die kleine Stadt, die erst 1830 gegründet wurde, gilt als die reichste Stadt im Osten. Dies liegt vor allem am Hafen und dem Fischfang. In der Fischereiwirtschaft ist auch ein Großteil der Bevölkerung beschäftigt. Interessant für Touristen ist neben einer Stadtbesichtigung ein Ausflug in die nahe gelegenen Fjarðarheiði-Berge. Von dort hat man einen herrlichen Blick über die Stadt und den gleichnamigen Fjord. Die Ostfjorde gelten für viele Touristen nur als Durchgangsstation. Ganz gleich ob sie nun mit der Fähre und dem eigenen Auto ankommen oder ob sie sich auf einer Rundreise um bzw. durch Island befinden, meist wird in dieser Gegend nur eine Übernachtung gebucht. Selten bleiben Besucher länger als zwei Tage. Das ist eigentlich Schade, denn die Region hat eine ganze Menge zu bieten, auch wenn sie in Reiseführern oft nur ganz knapp beschrieben wird. Neben dem bereits schon erwähnten Hafen Seyðisfjörður ist die Stadt Egilstaðir der zweite wichtige Verkehrsknotenpunkt im Osten. Im Gegensatz zum Hafen hat die im Landesinneren gelegene Kleinstadt aber kaum Sehenswürdigkeiten zu bieten. Die ersten Häuser wurden erst vor etwa fünfzig Jahren gebaut. Heute leben in Egilstaðir etwa 1400 Einwohner. Die Stadt hat mehr den Charme eine „Fertighaussiedlung“. Verweilt man etwas länger in den Ostfjorden, lassen sich einige Ausflüge unternehmen. Von Egilstaðir aus führt die Straße 94 Richtung Norden bis zum Fjörd Borgarfjörður-Eystri, wo sie endet. Die Tour führt über den kleinen Ort Eiðar an einem Sumpfgebiet vorbei, das von der Mündung des Gletscherflusses Jökulsá á Dal abgeschlossen wird. Die Route 94 biegt kurz vor der Küste Richtung Osten ab und man fährt auf die gewaltig anmutende Bergkette des Dyrfjöll zu. Der Dyrfjöll ist zwar nur 1136 Meter hoch, steht aber unweit der Küste, so dass seine steile Flanke über eintausend Meter aufragt. Nahe der Straße befindet sich eine wie zufällig stehen gelassene Brücke eines Fischtrawlers. Das Boot wurde aber nie gebaut und der verhinderte Bootsbauer ließ die Kommandobrücke einfach hier stehen. Steile Berge ragen auf diesem Straßenabschnitt immer wieder bis fast an die Küste heran. Meist liegt auch im Sommer in den höheren Lagen noch Schnee auf den Berghängen. Immer wieder treten in diesem Gebiet Erdrutsche auf. Doch damit nicht genug. Angeblich gibt es hier sogar Gespenster, die immer wieder für tödliche Unfälle sorgen sollen. Ein Holzkreuz zu Ehren eines Priesters erinnert an seine Taten. Er soll bereits im 14. Jahrhundert versucht haben, den Spuk zu beenden. Das Kreuz wurde seit dieser Zeit immer wieder erneuert. Die Straße erreicht schließlich den Ort Bakkagerði. Der kleine Ort ist von hohen Bergen umgeben. Im Osten türmt sich ein aus Lavagestein bestehendes Ryolithgebirge auf. Das Gestein wird abgebaut und in der ortseigenen Fabrik verarbeitet. Auch die gefundenen Achate und Jaspissteine werden im Werk poliert. Neben der Straße 94 existiert noch eine zweite Route von Egilstaðir nach Norden. Von der Ringstraße zweigt der Fahrweg 925 ab. Wer sich schon einmal mit dem isländischen System der Straßenbenennung geschäftigt hat, erkennt sofort, dass es sich hier eher um einen Weg, denn um eine Straße handelt. Die aus einer dreistelligen Zahl bestehenden Straßennamen sind Nebenstraßen, bei denen man davon ausgehen muss, dass sie nicht asphaltiert sind und zumindest in gebirgigen Regionen nur mit Allradfahrzeugen befahren werden sollten. Der Fahrweg führt zu der entlegenen Farm Húsey an der Ostküste. Hier wird noch Seehundejagd betrieben. Eine Jagd, die sonst in Island kaum noch ausgeübt wird. Schon wenn man ankommt, sieht man die zum Trocknen aufgehängten Seehundefelle. Hier wird auch Seehundefleisch verkauft. Daneben gibt es aber noch Lachs und Forellen zum Erwerb. Das flache Land mit dem schwarzen Lavastrand eignet sich gut für den Ausritt zu Pferde. Hier findet der Tourist die absolute Einsamkeit und Stille, wie sie sich viele in Island vorstellen. Da auch Unterkünfte in der kleinen Siedlung zur Verfügung stehen, wenn auch sehr einfache, kann man durchaus einige Tage hier verbringen. Eine weitere abenteuerliche Route führt von der Ringstraße nach Süden. Es handet sich um den „Fahrweg“ 923, der entlang des Gletscherflusses Jökulsá á Brú zur Farm Aðalból führt. Sie oder ihr Umland soll der Schauplatz der Hrafnkels Saga gewesen sein. Eine Bluttat führte zur Ächtung Hrafnkels auf dem Althing. Die Saga erzählt weiter von der Auseinandersetzung zwischen Hrafnkel und dem Vetter seines Opfers, bei der sich das Glück mehrfach wendete. Zu guter Letzt soll aber Hrafnkel wieder die Oberhand gewonnen und bis an das Ende seiner Tage in Aðalból gelebt haben. Bei der Farm Aðalból wurden tatsächlich Reste einer Wikingersiedlung gefunden. Von Egilstaðir aus lässt sich sehr gut der größte Wald Islands besichtigen. Der Wald Hallormsstaðarskógur liegt am See Lögurinn. Zum See gelangt man über die Piste 931, die unmittelbar hinter Egilstaðir nach Süden führt. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden praktisch alle noch verbliebenen Waldbestände Islands vor weidenden Tieren geschützt. Dies gelang so gut, dass der Wald heute bereits wieder eine Gesamtfläche von etwa 750 km² umfasst. Ein groß angelegtes Wiederaufforstungsprojekt lässt die Isländer hoffen, dass ihre Insel einst wieder wie zur Vorwikingerzeit bewaldet sein wird. Ein wichtiges Aufzuchtgebiet ist dabei der Wald Hallormsstaðarskógur. Vor allem Gehölze, die in Sibirien und Alaska gedeihen, werden hier angezogen und dann verpflanzt. Südlich des Sees Lögurinn zweigt noch eine weitere Piste ab, die aber nur mit Allradfahrzeugen befahren werden kann. Sie führt zum 1833 Meter hohen Snæfell, der dominant die gesamte Gegend überragt. Im Sommer fahren auch Busse von Egilstaðir bis zu einer Hütte am Fuße des Snæfells. Der Gipfel lässt sich von der etwa 800 Meter hoch gelegenen Hütte in fünf bis sechs Stunden erreichen. Eine bekannte Trekkingtour führt in sieben Tagen vom Snæfell nach Lónsöræfi durch eine Landschaft, die von bunten Ryolithbergen und tiefen Schluchten geprägt wird. Mit etwas Glück kann der Wanderer hier auch frei laufende Rentierherden beobachten. Eine gute Wanderkarte ist allerdings neben der selbstverständlich mitzuführenden Trekkingausrüstung unbedingte Voraussetzung für die Tour. Informationen dazu erhält der Wanderer im Informationszentrum von Egilstaðir. Die Tour quert unter anderem mit der Gletscherzunge Eyabakkajökull einen Ausläufer des größten isländischen Gletschers, des Vatnajökull. Wer von Egilstaðir Richtung Süden weiterfährt, wird fast immer die asphaltierte Ringstraße Nummer 1 nutzen. Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit. Auf der Route 92 umkurvt man, etwas Zeit vorausgesetzt, mehrere Fjorde Richtung Süden. Die Straße ist landschaftlich interessanter und ebenfalls asphaltiert, was man in dieser Region gar nicht unbedingt erwarten kann. Die 92 führt zunächst direkt Richtung Süden und erreicht bei dem kleinen Fischerdorf Reynarfjörður die Ostküste Islands. Der gleichnamige Fjord gilt als derjenige mit der steilsten Küste ganz Islands. Wer etwas Zeit hat, kann von Reynarfjörður aus einen Abstecher nach Norden in das Fischerdorf Eskifjörður unternehmen. Der mit über 1000 Einwohnern für isländische Verhältnisse recht große Küstenort ist bekannt für sein Schifffahrtsmuseum. Hier finden besonders Exponate zum heute etwas heiklen Thema Walfang Beachtung. So wird zum Beispiele das Modell einer Walfangstation aus dem frühen 20. Jahrhundert ausgestellt, die ganz in der Nähe existierte. Noch etwas weiter nördlich liegt der größte Ort der isländischen Ostküste. Neskaupstaður zählt trotz seiner abgeschiedenen Lage immerhin 1700 Einwohner. Richtung Süden verläuft die Route 92 von Reynarfjörður immer direkt an der Küste entlang unterhalb steiler Berge. Typisch für die Ostküste ist allerdings der Nebel, der die Bergspitzen oft umhüllt. Die Fahrt geht durch mehrere kleine Fischerdörfer, die weit auseinander liegen und nur wenige wirkliche Sehenswürdigkeiten bieten. Zu erwähnen ist hier vielleicht ein kleines Privatmuseum, die Steinsammlung von Petra Sveinsdóttir, die in Stöðvarfjörður besichtigt werden kann. Wer hier eine Unterkunft sucht, sollte bis zum Hof Stafafell fahren. Der Hof bietet sich auch als Ausgangspunkt für Tageswanderungen zur Lagune Lón oder in die umliegenden Flusstäler an.

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